„We are family“, „familiäres Arbeitsumfeld“, “familiär geführt”, … Aussagen, die man häufig in Stellenausschreibungen oder bei Erläuterung der Unternehmenskultur zu lesen und hören bekommt – mit dem Ziel, Verbundenheit und Zugehörigkeit zu vermitteln. Doch solche Formulierungen können schnell problematisch werden.

Der Begriff „Familie“ löst etwas aus. Ein mächtiges Zauberwort, mit dem ein Paket an großen Gefühlen sofort und unmittelbar abrufbar ist. Erinnerungen, Wünsche, Sehnsüchte, … oder Schmerz?

Nicht immer ist das Thema Familie ausschließlich positiv besetzt. Für alle, die nicht das Glück haben, in einer rundum glücklichen Buitoni-Familie aufgewachsen zu sein, kann das Thema auch Spannungen, Konflikte und Traumata beinhalten.

An Arbeitgeber, die den Familienbegriff zur Beschreibung ihrer Unternehmenskultur verwenden, haben wir ein paar Fragen:

Welche Rolle nehmen Sie als Arbeitgeber in dieser „Familie“ ein?

Wenn Sie mit Ihrem Recruiting Menschen in Ihre Familie einladen – wer sind Sie in diesem Fall? Der liebende Vater, die fürsorgliche Mutter, … die der Mitarbeitende vielleicht nie hatte? Sind Sie sich der Verantwortung bewusst, die Sie damit diesem Menschen gegenüber eingehen?

Wen ziehen Sie mit dem Familien-Versprechen an?

Menschen, die bereits Halt innerhalb der eigenen Familie haben, sprechen wahrscheinlich weniger auf Ihr Angebot an als solche, die eine tiefe Sehnsucht nach einer intakten Familie haben. Sie bieten also denen, die Mangel leiden, einen emotionalen Ersatz an.

Können Sie dieses Versprechen halten?

Im Idealfall ist eine familiäre Verbindung ein unzerstörbares Band der Liebe. Ein absolutes Sicherheitsnetz, das an keinerlei Bedingungen geknüpft ist. Sind Sie bereit, Ihre Mitarbeiter ein Leben lang bedingungslos zu lieben?

Was passiert im Falle, dass Sie jemanden kündigen müssen?

Ein Bruch in der Familie ist ein traumatisches Ereignis, dem meist jahrelange Konflikte vorausgehen. Tiefe Verletzungen, die nie ganz verheilen. Sollte ein Arbeitsplatz diesen Stellenwert im Leben einnehmen?

Unternehmenskultur ≠ Familienleben

Assoziationen von „Familie“ sind „Sicherheit, Geborgenheit, Bedingungslosigkeit, Liebe“. Die ersten beiden Aspekte können Sie als Arbeitgeber unter Umständen erfüllen – vorausgesetzt, Sie garantieren Ihren Mitarbeitern lebenslange Zugehörigkeit zu Ihrem Unternehmen. Bei der „Bedingungslosigkeit“ wird es schon schwieriger, denn zu Recht erwarten Sie von Ihren Mitarbeitern eine Gegenleistung (Psychologischer Vertrag!). Und Liebe? Wohl eher nur in Ausnahmefällen.

Sie sehen, wir haben mehr Fragen als Antworten, bezweifeln aber sehr, dass der Familienkontext haltbar ist, wenn es um Arbeitsbeziehungen geht. Zugehörigkeit, Füreinander-da-sein, eine werteorientierte Unternehmenskultur muss auch möglich sein, ohne das zweischneidige Schwert des Familienideals zu bemühen.

Wie man dennoch starke Arbeitsbeziehungen definieren und die Verbundenheit im Team fördern kann: